HD
Jean-Luc Darbellay - ONDES LUMINEUSES für einen Perkussionisten - neo
Play previews

ONDES LUMINEUSES für einen Perkussionisten

70 plays
Interpreter
Thierry Miroglio
Composition, Chamber music
120 tracks

More information

Added on 26 April 2021

Year of creation
2015

Credits and thanks

Gedanken zum Stück ONDES LUMINEUSES

Licht
„Im Anfang war das Licht“, so könnte das Evangelium der Astronomen beginnen.
Der Astronom kann seine Beobachtungen nur dank den beiden entscheidenden Eigenschaften des Lichts festhalten: seinem Teilchencharakter und seinem Wellencharakter. Die Lichtgeschwindigkeit und das Lichtjahr sind denn auch die wichtigsten Masseinheiten der Astronomie. Letztlich ist die kontinuierliche Aussendung von rasend schnellen Photonen durch die Sonne für das irdische Leben entscheidend.
Das Licht ist für uns Menschen von grosser Bedeutung. Wir „erblicken das Licht der Welt“ bei unserer Geburt. Der Tag und die Nacht strukturieren von Anfang an das Leben des Säuglings. Mit der Zeit lernt das Kind bei Tag seine Umgebung zu erkennen. Dank der Lichteinwirkung synthetisiert seine Haut Vitamin D. Das Licht begleitet uns durch das ganze Leben.
Geheimnisvolle Lichteffekte spielen auch im künstlerischen Bereich, in der Malerei, in der Fotographie, im Film und im Theater eine entscheidende Rolle. Kunst ohne Licht ist undenkbar.
Auch in der Musik sprechen wir von lichten und dunklen Klängen.
In meinem Stück versuche ich einige astronomische Phänomene anzudeuten. Ein Beispiel gleich zu Beginn: Aus dem Nachhall des am Anfang sich aus dem Nichts (dal niente) entwickelnden Tam-tam Tremolos taucht ein „Lichtstrahl“ im Vibraphon auf. Eine Metapher für die freiwerdende Energie, die bei einer Supernova-Explosion entsteht, ein Ereignis, das sich auf verschiedene Arten wiederholt in Prozessen, wo Masse sich in Energie verwandelt.

Gravitation
Die Analogie zur physikalischen Tatsache der Gravitation, der Schwerkraft, die für den Zusammenhang unseres Kosmos entscheidend ist, mit den Kräften die zwischen den Tönen wirksam sind, hat mich schon immer fasziniert.
So wie improvisierte Musik aus dem Orient um einen Hauptton kreist, so wird auch unsere ältere abendländische Musik durch den Grundton bestimmt. Die Tonart bildet das Gerüst eines Musikstücks. Die Kadenz verleiht dem Klangstrom Stabilität und führt das Geschehen immer wieder auf die Tonika zurück.
In meiner Musik wird diese oft durch Zentraltöne ersetzt, die die anderen, leichteren Töne anzieht und oft „verschluckt“, so wie ein „schwarzes Loch“ in der Astronomie andere Galaxien „aufsaugen“ kann. Der Verdichtungseffekt spielt bei jenen Sequenzen eine hörbare Rolle in meinem Stück, wo sternbildartige Konstellationen von Einzelklängen sich zu Aggregaten gruppieren und die Funktion der Akkorde der älteren Musik übernehmen.

Die Creatio continua
Déscartes sprach von einer „création continuelle“. Er dachte dabei an eine Schöpfung, die, von Gott begleitet, immer wieder neu erschaffen wird. Das unglaubliche Gleichgewicht der Kräfte während der physikalischen und der biologischen Evolution, das die Voraussetzungen fürs später auftretende Leben auf unserem Planeten mit seiner ungeheuerlichen Vielfalt an Arten ermöglichte, wird ja ständig justiert, abgestimmt und optimiert. Ein Mysterium der ganz besonderen Art, das den Darwin’schen Begriff des „Zufalls“ als Motor der Entwicklung infrage stellt. Was ist Zufall? Existiert er überhaupt?
Eine musikalische Komposition ist alles andere als zufällig, eben eine „création continuelle“!

Dramaturgie
Die Festlegung der grossen Linien des Stücks basiert auf dramaturgischen Vorstellungen, die mit der Auswahl der verwendeten Instrumente im Verlaufe des Werkes eng verknüpft ist. Am Beispiel des erwähnten hellen Lichtstrahls kann die Suche nach klanglichen Entsprechungen im Verlaufe des Stücks leicht verfolgt werden. Als weitere "Lichtträger" kommen die 4 verschiedenen Triangel in Frage, die sehr leisen Beckenklänge und, natürlich, das Glockenspiel, das in einer virtuosen Kadenz ein Lichtermeer evoziert, das an die Milchstrasse erinnert.
Die Holzinstrumente (Woodblocks und Templeblocks) verbinde ich mit hohen, trockenen Marimbaphon-Klängen, um, als Metapher, einen Sternenhimmel mit seinen Sternbildern zu evozieren.
Die Fellinstrumente (kleine Trommel, Tom-tom, Bongos und Conga) lassen im Strudel ihrer Trommelwirbel an ein "schwarzes Loch" denken...
All dies wird durch den "musikalischen Klebestoff", dem Nachhall, verbunden, der, ganz praktisch, auch den Wechsel der verschiedenen benötigten Schlägeltypen überbrückt.

J-L.D.

70 plays