About the Track
- Added on 2 December 2024
- Year of creation 2024
- Label Eigenproduktion SRG
- 18 plays
Credits
Amaryllis Quartett:
Gustav Frielinghaus, Violine
Lena Sandoz, Violine
Mareike Hefti, Viola
Yves Sandoz, Violoncello
Konzert vom 11. November 2024, Konzertsaal Solothurn (Uraufführung)
Tonmeister/Musikregie: Mario Bruderhofer (SRF)
Komponiert für das Amaryllis Quartett
I Ohne warumb
II Ein Wurm beschämet unss
III Zufall und Wesen
IV Man weiss nicht was man ist
V Gott ergreifft man nicht
VI Die Augen der Seele
VII Nichts leuchtet ohne die Sonne
VIII Der Geistliche Krebsgang
IX Ein jedes in dem seinigen
X In der Ewigkeit geschicht alles zugleiche
Die zum Jubiläum des Amaryllis Quartetts für Streichquartett umgeschriebenen zehn Miniaturen entstanden in erster Fassung für Vokalquartett (solistisch oder chorisch) nach Spruchtexten des Lyrikers und Mystikers Angelus Silesius («Geistliche Sinn- und Schlussrime», Wien 1657). Das erste Quartett komponierte Heinz Holliger 2010 anlässlich des Geburtstages seines in Schlesien geborenen Freundes Clytus Gottwald. Die neun folgenden entstanden im September 2011 während eines Klinikaufenthalts in Rheinfelden: «Ich war damals sehr krank, im Krankenhaus, dann in einer Reha-Klinik. Die Komposition dieser Monodisticha war für mich eine Möglichkeit, die physische Zeit zu markieren, jeden weiteren Tag, jeden Herzschlag, jeden Atemzug. Jeden Tag habe ich eines dieser Madrigale geschrieben, wie ein Tagebuch.» (Quelle: ircam). Bereits im Titel – ebenfalls ein Silesius-Zitat – ist «diese fast existenzialistische Beschwörung des Nichts», die Holliger während der Krankheit bewegt hat, formuliert.
Silesius' eigenwillige Bildlichkeit und die aphoristische Knappheit der Sprache hat den Komponisten zu einer ebenso bildhaft reichen und überaus dichten Klanglichkeit animiert. Für ihn sei Musik eine Meta-Sprache, die beginne, wenn die Sprache aufhöre, hat Holliger mehrfach betont. Die kurz gefassten Weisheiten (oft Antithesen) bleiben denn auch in der Streicherfassung präsent. Manche Bewegungen, Klangfolgen und vor allem Linien erinnern an die rhetorischen Figuren eines Heinrich Schütz, nota bene ein Zeitgenosse von Silesius. Als ob Holliger die Madrigalkunst des Frühbarock in seine eigene musikalische Sprache übersetzt hätte. So fliegt der Seidenwurm in weiten Bögen (II), verliert sich die Ewigkeit in übergrosse Räume (VI), der Schroffheit des Mondes steht das Aufblühen des Sonnenlichts entgegen (VII). Ebenso sprechen Kurzgliedrigkeit («Man weiss nicht was man ist») und über eineinhalb Oktaven gespannte Kreisbewegungen (IV) für die vom Komponisten genannte musikalische Meta-Sprache. Im letzten Stück schliesslich erscheint die Zeit aufgehoben und die vier Streicher und Streicherinnen des Quartetts haben zugleich leise einen Cantus firmus («bocca chiusa, senza vibrato») mitzusummen – bis die «Ewigkeit» in einem Unisono-f verklingt. Den musikalischen Miniaturen ist die Bildhaltigkeit der Silesius-Texte gleichsam eingeschrieben.
Text: Hanspeter Renggli
„Packend, ausdrucksvoll, vielschichtig“ (SZ) und mit einem „kommunizierenden Ensembleklang“ (nmz)
begeistert das Amaryllis Quartett in seinen Konzerten regelmäßig Publikum und Presse und gehört...