Im Blick gen Osten tun sich Abgründe auf. Die Welt ist aus den Fugen, auch in unserer Nachbarschaft: in Mittelosteuropa. In der Ukraine tobt ein Krieg, der die Welt in Atem hält. Ein neuer Eiserner Vorhang trennt Europa. Welche Konsequenzen hat das, und was macht das mit uns? Zur Saisoneröffnung stellen die vier Uraufführungen nicht nur Fragen in den Raum, sondern zugleich Perspektiven: schöpferisch vielfältig und diskursiv.

Aus der Ukraine stammt Yurii Pikush, Sergej Newski lebt als Russe in Deutschland, Aleksandra Słyż ist Polin und Stefan Keller Schweizer. Als Botschafterin fungiert die Mezzosopranistin Christina Daletska. Sie wurde in der Ukraine geboren und lebt in der Schweiz. Was alle eint, ist eine kritische Haltung. Da ist Newski: Seit vielen Jahren kritisiert er die russische Politik – auch in Zeitungsartikeln.

Sein neues Werk «Göttin der Geschichte» für Mezzosopran und Orchester basiert auf einem Text des Litauers Thomas Venclova. «Sei gegrüsst, du vergessene Göttin der Geschichte, / mit deinem Gefolge aus Raketenhülsen und toten Kriegern», heben die Worte an. In «Domi Res Militaris» fragt hingegen Pikush, wie viel Verantwortung auch der Einzelne bei «militärischen Angelegenheiten im Inland» trägt.

Mit «Suspended in Ratios» legt Słyż eine elektroakustische Drohnen-Komposition vor, um Verhältnisse zwischen Intonation und Mikrotonalität auszuloten. Dagegen stellt Keller in «Ein sicherer Hafen» für Mezzosopran, Sprecher und Orchester nach Worten von Melinda Nadj Abonji und Iryna Shuvalova die schweizerisch gefärbte Frage, wie viel Neutralität man sich in Zeiten von Krisen und Kriegen erlauben kann und darf.

In Kooperation mit dem Warschauer Herbst

Foto von Lucia Hunziker

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