Anfangs der 1920er begann Robert Walser seine Texte in winziger Schrift mit Bleistift auf kleine gebrauchte Blätter zu schreiben. Das von Roland Moser vertonte Mikrogramm enthält vier Texte: einen Aufsatz, eine Szene und zwei Gedichte. Der ‹Theateraufsatz› enthält eine Theorie des Dramas am Beispiel von Kleist, allerdings ex negativo in schön ironischem Tonfall. Direkt darunter schreibt er eine Szene zwischen einer selbstbewussten emanzipierten Frau, der ‹Europäerin›, und einem ebenso empfindsamen wie aufstrebenden jungen Dichter (‹ihr Freund›). Die Szene erhält ihre Brisanz aber erst durch einen ‹Begleiter› der Frau. Auch die beiden Gedichte beziehen sich hintersinnig auf das Geschehen.
In einer aufs Intimste reduzierten Besetzung mit drei Stimmen und zwei Instrumenten entwickelt sich die Musik aus jenem typischen Sprachklang, der sich tonlich durchgehend an Vokalen und Konsonanten der darin unerhört reich gestalteten Sprache Walsers orientiert.
Mit: Leila Pfister (Die Europäerin/Mezzo-Sopran), Niklaus Kost (Ihr Freund/Bariton), Jürg Kienberger (Ihr Begleiter/Autor), Helena Winkelman (Bratsche), Conrad Steinmann (Okarina und Blockflöten), Ingrid Erb (Regie, Bühne und Kostüme), Pierre Sublet (Blick von aussen), Alice Hohberger (Produktion), Mario Henkel (Technik)
Programm: Roland Moser (*1943): «Die Europäerin» (2020)
Im Anschluss Publikumsgespräch
Foto: Leila Pfister, Nikolas Kost © Michael Buechling