Bernhard Lang, Dürrenmatts Hirn UA
Friedrich Dürrenmatt (1921–1990) und sein Werk werden anlässlich seines 100. Geburtstages gefeiert und gewürdigt, aber auch kritisch einer Neubewertung unterzogen. Eine längst fällige Akzentverschiebung in der öffentlichen Wahrnehmung ist fällig: nicht der «missverstandene» Erfolgsautor steht im Zentrum, sondern der Autor und «Gedankenschlosser» einer kühnen und neuartigen Spätprosa, die in der Autobiographie, den Stoffen, zwischen 1981 und 1990 ihren Höhepunkt erlangte. Der renommierte österreichische Komponist Bernhard Lang, der bereits mehrfach mit literarischen Texten, u.a. Arthur Schnitzler, Gustav Meyrinck, Samuel Beckett oder William S. Burroughs gearbeitet hat, schreibt für das Ensemble Proton Bern ein abendfüllendes musikalisch-literarisches Stück, das getragen wird von einer (Gesangs-) Frauenstimme, die den letzten Text Dürrenmatts, Das Hirn, auch hör- und verstehbar machen wird.
«Das Hirn ist das letzte, was ich geschrieben habe. Es gibt in den Stoffen Stoffe, die sehr alt sind. Das Ganze ist natürlich eine Rückschau. Ich frage mich immer: Wie bin ich zu dem geworden, was ich bin, wie kam mein Denken zustande? (...) Schreiben ist für mich eine Art, sich über die Welt und hauptsächlich über sich selbst klar zu werden. Das ist ein Prozess, der nie aufhört. Das Hirn ist eine Verbindung von dem, was ich heute über die Welt denke. Wir sind heute nicht sicher, ob wir die Welt erdenken oder ob unsere Weltsicht heute nicht ein Ausdruck unseres Denken ist. Ist sie so, oder interpretieren wir sie so? Deshalb habe ich eine Fiktion gemacht: ein Hirn, das ganz allein ist und sich eine Welt erdenkt, wie wir sie heute sehen.» (Friedrich Dürrenmatt in seinem letzten Interview mit Hugo Loetscher, 1990)
Textrechte: Diogenes Verlag