Liederzyklus von UMS'nJIP
für Stimme, Blockflöten, Perkussion und Elektronik, 2023 nach dem gleichnamigen Gedichtzyklus von Rolf Hermann aus dem Gedichtband “In der Nahaufnahme verwildern wir" (2021)
Luis Tabuenca, Perkussion
UMS'nJIP
Ulrike Mayer-Spohn, Blockflöten/Elektronik
Javier Hagen, Stimme/Elektronik
"Am Ende bleibt die Natur und das, was wir vielleicht als die Ekstase der Wörter bezeichnen können - die Dichtung." (Rolf Hermann)
Rolf Hermanns neophyten ist ein 24teiliger Gedichtzyklus aus dem Gedichtband “In der Nahaufnahme verwildern wir" (2021). Dieser lehnt sich strukturell an Rainer Maria Rilkes Gedichtzyklus "Les Roses" an. Für Rolf Hermann sind Neophyten "eine Erscheinung der globalisierten Welt und der Klimaveränderung in einem. Pflanzen werden - absichtlich oder versehentlich - auf Tankern oder Lastwagen von einem Kontinent zum anderen, von einem Land zum anderen transportiert. Und weil sich das Klima erwärmt, wandern sie oft weiter, von Süden in Richtung Norden, und verändern so die jeweilige Vegetation. In gewisser Weise sind die Neophyten für mich also Chiffren für das Anthropozän, für ein vom Menschen verursachtes biologisches Phänomen, das sich weitgehend verselbstständigt hat."
UMS'nJIP's Neophyten ist ein Liederzyklus für Stimme, Blockflöten, Perkussion und Elektronik, der zusammen mit dem spanischen Perkussionisten und Komponisten Luis Tabuenca (Barcelona) auf Anregung von Rolf Hermann, einem langjährigen künstlerischen Weggefährten von UMS'nJIP, entstanden ist. Wild wuchernd, geradezu vegetativ berauschend springt uns Rolf Hermanns Zyklus neophyten an, mit dem er auf Rilkes "Les Roses" antwortet - urtümlich, kraftvoll, zäh und rätselhaft. Oder um Beat Mazenauer zu zitieren: "Die Sprache (...) beginnt zu verwildern, sie samt Silben ab und formt sie zu neuen Worten, findet sich zu Bildern, die neophyt und ungewohnt, vital und frisch sind. Die Nahaufnahme, der konzentrierte Blick stellt auf die glatte Oberfläche scharf und nimmt so erst deren raue Struktur wahr." Wovor stehen wir? Einerseits ist das Textmaterial durch verstörend unlyrische Verfahren eingedampft und durch strenge formale Spielregeln gebunden, gleichzeitig rankt sich die Sprache der Gedichte ungestört um diese Gitter, wuchert diese zu und breitet sich schier ungebremst in unbekannte und merkwürdige metaphorische Gefilde aus. Darauf antworten wir mit drei archaischen Instrumenten: Stimme, Flöte und Perkussion, ferner - als bewusstem Gegenpol - mit Elektronik - und zu guter Letzt mit einem zwischen Komposition und Improvisation angesiedelten Verfahren: Die Gedichte werden analysiert - auf ihren Klang und Rhythmus, auf intertextuelle Bezüge, auf ihre Hybris zwischen biologischem Beschrieb und dichterischer Anverwandlung. Heraus kommt eine zeitlich und in klaren Abschnitten strukturierte dramaturgische Grossform, in welcher sich die gesprochene Sprache sinnlich, situativ und ausgesprochen sensibel/fragil aus instrumentalen Klangfeldern heraus, aus einer Ursuppe sozusagen, Schicht um Schicht schält, um sich in einen virtuellen - klanglich gesprochen: in einen voraufgenommenen Raum - einem bedruckten Blatt gleich, zu begeben. So wie Rolf Hermanns Wunsch: “die Sinnlichkeit und die Verletzlichkeit der Welt in Worten erfahrbar zu machen" gesellt sich zu ihm der unsrige, dieselbe Sinnlichkeit und Verletzlichkeit nun auch in Klängen erfahrbar zu machen.
http://umsnjip.ch/program-neophyten.htm